NEGER EROS
Die Beschneidung
S. 54 - 55
Erst der Beschnittene, der Krieger (Moran), wie er bei den Hirtenvölkern
heißt, genießt volle Freiheit zum Tun und Handeln, eine
Freiheit, die er ganz besonders in den Dienst der Erotik stellt. Unbeschnitten
kann und darf er nicht heiraten; gleiches gilt bei den Hirten- und Jägervölkern
für die Braut. Erst durch die Beschneidung werden sie von der Gesellschaft
als erwachsen, als geschlechtsreif erklärt. Nichts ersehnt daher
der Bursche oder das Mädchen bei den Negern so sehr, wie den Beschneidungsakt
hinter sich zu haben, denn er bildet bei ihnen einen Merkstein in der
sozialen Stellung zwischen zwei Lebensstufen:
vom Jüngling (Layoni) wird er zum Manne (Mureniu), vom
Mädchen (Kyepta) wird es zum Weibe (Osotya).
Sie werden zu neuen Menschen. Kose- und Kindernamen gelten von nun
ab nicht mehr, der neue Name, den sie erhalten, bleibt ihnen bis zu
ihrem Lebensende. (Nandi.)
Trotz der allgemeinen Verbreitung der Beschneidung bei den meisten
Völkern, ist über den Grund derselben nichts Bestimmtes bekannt.
Fragt man diesen oder jenen hierüber aus, so sagt er entweder "
zamani!"(1) (mit einer sehr lang ausgezogenen Betonung des"ma"),
was so viel bedeutet wie . "seit uralten Zeiten", oder er antwortet,
daß es halt einmal so eine Sitte ist: beides keine Erklärungsgründe.
1) Ein aus dem Arabischen entnommenes Wort der Suahelisprache.
Über den Grund der Beschneidung der Mädchen bei den Nandi
wurde mir wiederholt angegeben, es würden die Kinder der Unbeschnittenen
sterben. Das ist aber eine Schlußfolgerung aus der bestehenden
unmenschlichen Sitte, Kinder der unbeschnittenen Mädchen zu erwürgen.
Also auch keine Erklärung.
Ein Dorfhäuptling der Nandi gab mir auf meine Anfrage hinsichtlich
der Mädchenschneidung folgende Antwort: "Wir sind Nandi, wir wollen
nicht so was Hängendes bei den Weibern!", Dabei machte er mit seinem
Kleinfinger eine verächtliche Gebärde, als wollte er damit
die Klitoris andeuten. Zweifelsohne werden die beschnittenen Geschlechtsteile
bei Mann und Weib von den in Frage kommenden Stämmen als schön
aufgefaßt. Das haben mir wiederholt Beschnittene wie noch nicht
Beschnittene versichert. So hoch man auch das stark ausgeprägte
Schönheitsbedürfnis der Neger bewerten will, scheint es mir
doch nicht so groß zu sein. um aus rein ästhetischen
Gründen die Entstehung des Beschneidüngsrituales zu postulieren.
Auch nicht aus rein Magisch-Religiösem. Auch hygienische Motive
können hier nicht ausschlaggebend gewesen sein, zumal die Beschneidung
viele Jahre nach der wiederholten Ausübung des Geschlechtsaktes
bei beiden Geschlechtern stattfindet. Mir scheint vielmehr, daß
der Hauptgrund der Beschneidung sich unschwer aus dein Wesen der Sexualität
ableiten läßt.
Der Mann ist bestrebt, sich den oft umständlichen Geschlechtsakt
so bequem wie möglich zu gestalten; und es läßt sich
nicht bestreiten, daß dabei oft die Vorhaut ein gewisses, bisweilen
sogar schmerzendes Hindernis in den Weg legt, da sie nach Eindringen
der Eichel eingeklemmt werden kann, was den Akt erschwert oder, falls
dabei das Präputitim die Glans nicht frei läßt, die
ejaculatio seminis beschleunigt. Was lag da näher als dieses
Hindernis zu beseitigen, zumal man dadurch noch ein Schönheitsmerkmal
für die erlangte Reife erlangte.
Von sekundärer Bedeutung war dabei noch die auf einige Monate
ausgedehnte Genesungszeit. da der nun zum Manne gestempelte Jüngling
in Ermanglung von Schulen erst jetzt Gelegenheit finden konnte, in alle
Mysterien des Lebens von seinem Meister eingeweiht züi werden.
Für die Beschneidung der Mädchen liegen andere Gründe
vor. ... |